- Alljährlich am 1.Wochenende im September wird das historische Sehusafest in Seesen gefeiert, das Tausende von Besuchern aus nah und fern begeistert. Mehr als 1.000 Bürger zeigen in stilechten Gewändern in Spielen und Tänzen geschichtlich belegte Szenen aus Seesens Vergangenheit. Das Sehusafest umfasst eine Zeitspanne vom Mittelalter bis zum Rokoko und ist somit als größtes Historienfest einmalig in Norddeutschland. Viele Buden mit allerley Kram, Quacksalber, Zähnebrecher, Tänzer, Gaukler, Musikanten, Landsknechtswerber, Rittertafel und "Speyß und Trank" erwarten Sie. Das Sehusafest ist kein Altstadtfest - es ist ein historisches Spektakel. -

 

Vor der Burg Sehusa findet am jedem Samstagabend des Sehusafestes ein Mystisches Feuerspectaculum und die feierliche Eröffnung des Sehusafestes mit 100 Herolden und Landsknechten statt. Anschließend gibt es die Freilichtaufführung der Sage vom Silberhohl A.D. 1268, ein dramatisches Spiel der mittelalterlichen Raubritterzeit:

 

Am westlichen Harzrand, im nördlichen Teil der Feldflur Seesens, in dem die Wüstung - ein aufgegebenes Dorf - Pedel lag, befindet sich in einer Mulde an der Eisenbahn der Erdfall Silberhohl*, heute ein Naturschutzgebiet und Teil des waldbestandenen Hahnenbergs bei Winkelsmühle. Der Name Silberhohl wird schon 1262 als Silvacolch genannt und dürfte auf das lateinische Wart silva = Wald zurückzuführen sein, das - missverstanden gedeutet - auf das Edelmetall Silber und auf einen großen versunkenen Schatz bezogen wurde. Die ältere Bezeichnung -colch = Kolk wich der jüngeren -hohl, die nicht etwa Höhle, sondern Tal bedeutet. Das an mehreren Fischteichen (dem Pädelschen Teich [Pedel], dem Schlacken- und dem Heidteich) liegende Silberhohl entstand vor ca. 5000 Jahren durch die Auslaugung von Salz im liegenden Zechstein. Der hangende Buntsandstein, in dem sich der Erdfall heute befindet, wurde beim Einsturz des Hohlraumes durchschlagen. Das Moor, das sich seit 5000 Jahren im Silberhohl entwickelt, weist mittlerweile eine Torfmächtigkeit von 11m auf.

 

In dieser Erdfallsenke soll eine Raubritterburg der Ritter von Pedel (Erwähnung A.D. 1214 - 1268) gestanden haben und plötzlich über Nacht mit all seinen Schätzen, die von den geldgierigen und skrupellosen Raubrittern erbeutet wurden, versunken sein. An die Personen Wulfardus, Konrad, Johannes, sowie Jutta von Pedel knüpft die "Sage vom Silberhohl"...

 

... Einst soll am Waldrand eine Burg gestanden haben. Herrlich und in Freuden lebten darin ihre Besitzer bei Becherklang und Würfelspiel; als Wegelagerer plünderten sie vorüberziehende Kaufleute aus, die auf der nahen Landstraße daherzogen kamen; sie mordeten und brandschatzten in den Orten der Umgebung; beraubten die Bauern der umliegenden Dörfer; füllten so die schweren, eichenen Truhen mit Geld, Gold und Geschmeide. In der ganzen Gegend waren die Räuber wegen ihrer Grausamkeit gefürchtet und gehaßt. Nur Jutta, die Tochter des Burgherrn Wulfardus, wurde von den nicht gerade mit Reichtum gesegneten Einwohnern geachtet und geliebt. Denn wenn der wüste Vater mit seinen Raubgesellen auf Beute auszog, eilte sie zu den Armen und Kranken, brachte ihnen zu essen, pflegte sie und verteilte das Wenige, das ihr der hartherzige Vater zukommen ließ. Sie hatte ein mitleidiges Herz. Deshalb war sie überall beliebt und wurde von manchem, dem sie in seinem Elende geholfen hatte, wie eine Heilige verehrt.

 

Eines Tages nun kehrten die Ritter mit reicher Beute beladen von einem Raubzug zurück. Wieder begann das Zechgelage, wieder erscholl weithin tönend das Gegröle der trunkenen Mordgesellen. Da plötzlich erbebte die Erde; grelle Blitze zuckten vom Himmel hernieder, und fürchterlich grollte der Donner. Die Mauern der festgefügten Burg begannen zu wanken, der Erdboden öffnete sich, und mit entsetzlichem Getöse sank die Burg in den gähnenden Abgrund, der sie samt den geraubten Schätzen begrub. Mit der Burg verschwand aber auch ihr Name, und das Volk nannte fortan den Ort, an dem sie versank, das Silberhohl; denn ein unermesslicher Schatz an Silber soll dort in der Tiefe ruhen.

 

Jutta war es als Lohn für ihren frommen Lebenswandel vergönnt, noch lange als Schutzgeist der Armen und Leidenden in der Umgebung des Silberhohls hilfreich zur Seite zu stehen. Als eine weiße, von einem dichten Schleier umwallte Gestalt, einen Schlüssel an ihrem Gürtel tragend, trat sie in die Kammern der Kranken, tröstete sie, half ihnen und beschenkte sie. Und wer, so die Sage, Jutta einmal zu sehen begehrt, der muß in der Neujahrsnacht  – oder am Johannistag – um Mitternacht hier her zum Silberhohl kommen. Dann sieht er Jutta umherirren, als suche sie noch immer die versunkene Burg. Auch heute noch erscheint sie in einem weißen Gewande und teilt ihre Gaben aus...

 

Viele Abenteurer haben sich schon auf die Suche nach den großen Schätzen der versunkenen Burg gemacht, doch viele blieben verschollen, denn der Teufel wacht über die "verfluchte" Grabstätte der Raubritter und schützt den Schatz, da er nie wieder in die Hände von geldgierigen Menschen kommen darf. Doch Jutta schützt die unschuldigen Seelen, die zu Unrecht in die Hände des Teufels fallen... 

 

- Einst lag in Seesen eine Arme krank und sorgte sich, denn sie hatte ihre drei Kinder hungrig zu Bette schicken müssen. "Ach wenn doch Jutta noch lebte", seufzte sie. Da öffnete sich leise die Tür, eine weiße Gestalt mit langem Schleier trat herein, setzte ein fein geflochtenes Körbchen auf den Tisch, machte das Zeichen den Kreuzes über der Kranken, nickte  freundlich zu und verschwand ebenso leise, wie sie gekommen war. Als Jutta sich entfernt hatte, fiel die Kranke in einen erquickenden Schlaf, aus dem sie am Morgen gesund erwachte.  Als sie die Körbchen und darin das viele Geld sah, wusste sie, dass sie nicht geträumt hatte. Da dankte sie in heißem  Gebet unserem Herrgott, der ihr durch Jutta Hilfe geschickt hatte. -

 

(Quelle: http://www.harzer-sagen.harz-urlaub.de* / http://sehusafest.de* / 974-1974 - 1000 Jahre Seesen: Otto Roth - Die Sage vom Silberhohl / DEICKE, M. (2003): Erdfallablagerungen des südlichen Harzvorlandes – Archive der Umweltgeschichte der letzten Jahrtausende  |  HETTWER, K. (1999): Stoffbestand und Schwermetall-Anomalien eines Moorprofiles der Erdfallsenke „Silberhohl“ bei Seesen (Westharz))

 

 

 

 

 

Silberhohl

(nach Hoffmann S. 109. u. Sagen u. Gesch. aus der Vorzeit des Harzes S. 499 etc.)

 

In der Gegend zwischen Seesen und dem neuen Krug liegt eine Stätte, Silberhohl geheißen; sie ist beinahe rund und mehrere Fuß tiefer als der Boden rings umher, ganz von Sumpfmoosen überwuchert, an dieser ist es nicht ganz richtig. Vor vielen Jahrhunderten stand hier eine stattliche Burg, auf welcher es immer hoch herging mit Trinken und Spielen und Jubiliren. Die adligen Herren darauf thaten, als ob die ganze Welt ihnen gehöre, und Manches gehörte ihnen auch, alles das nämlich, was sie durch Raub und Plündern erreichen konnten, denn sie lebten vom Stegreife und waren gefürchtet rings umher ihrer Grausamkeit und Rohheit wegen. Man konnte auch wirklich sagen, daß auf der ganzen Burg nicht ein einziges frommes Herz schlug, als das des jungen Fräuleins Jutta. Die liebte man in der ganzen Gegend, weil sie so gut war, und oft, wenn das wüthende Heer ausgezogen war, still zu den Armen und Kranken, selbst zu den Beraubten hinging und ihnen Nahrung, ersparte Goldstücke und Kleinodien brachte. Darum verehrten sie auch alle Dürftigen wie eine Heilige.

 

Einst hatten die Ritter ein ungeheures Bubenstück begangen; mit dem Blute friedlicher Menschen bespritzt, deren Habe sie geraubt hatten, kehrten sie zu rück in die Burg; bald standen die vollen Humpen auf den eichenen Tafeln und das unzüchtige Gelage begann. Da rollte auf einmal ein ungeheurer Donner am Gewölbe des Himmels dahin, ein gewaltiger Blitzstrahl zuckte nieder, die Erde bebte, öffnete sich, die Mauern der Burg wankten, der Thurm krachte nieder und mit einem entsetzlichen Getöse, das man meilenweit hörte, stürzte Alles in den gähnenden Abgrund hinab, der sich plötzlich wieder schloß. Nur eine Vertiefung blieb, dem Wanderer Kunde zu geben von dem versunkenen Raubschlosse. Aus der Nähe und Ferne kamen Manche, die Stätte des göttlichen Strafgerichts zu schauen, und nicht selten hörte man das unter Seufzen gesprochene Wort: »Ach die arme Jutta!« Nicht lange darauf lag in einem benachbarten Dorfe eine arme Frau auf dem Krankenbette, eine Wittwe. Sie hatte eben recht herzlich geweint, denn sie hatte sehen müssen, wie sich ihre drei Kindlein hungrig auf ihr hartes Lager gelegt hatten. Nun schliefen sie sanft; der Engel des Herrn hatte ihnen die Aeuglein zugedrückt und wachte über sie und gab ihnen süße Träume in das Herz. Die Mutter faltete die Hände und betete für die Kinder und sprach dann: »Ach, wenn die liebe Jutta noch lebte!«

 

 

Da öffnete sich leise die Thür und herein schwebte eine leichte Gestalt in weißem Schleier, um ihr Haupt schlang sich ein Strahlendiadem, das ein wunderbares Licht über das Lager der Kranken goß. »Jutta!« rief diese, und die Gestalt winkte mit der Hand und blickte freundlich auf die Kinder hin, setzte dann ein eigenthümlich geflochtenes Körbchen auf den Tisch, schlug ein Kreuz über die Mutter und verschwand dann leise, wie sie gekommen war.

 

Ein tiefer Schlaf überfiel plötzlich die kranke Wittwe; als sie am andern Morgen erwachte, war sie frisch und gesund, es däuchte ihr Alles wie ein Traum und nur, als sie das wundersame Körbchen in die Hand nahm, das gefüllt mit Goldstücken auf dem Tische stand, nur da erkannte sie, daß der Geist der lieben frommen Jutta bei ihr gewesen, und sie sank auf die Kniee und dankte dem Herrn und seinen Heiligen. So ist die liebe Jutta noch vielen leidenden Frauen erschienen und hat ihnen Segen und Freude gebracht.

 

(Quelle: zeno.org*)

 

 

 

 

 

 

Deutung (nach Otto Roth)


 

Naturschutzgebiet Silberhohl
© sachsenkrieger.de

 

Die Sage vom Silberhohl ist die einzige bedeutungsvolle Sage der näheren Umgebung Seesens im sonst mit Sagen reich gesegneten Niedersachsen. Eine Sage ist eine kurze Erzählung, deren Verfasser unbekannt ist, die im Volke zunächst mündlich überliefert und später schriftlich fixiert wurde, die von Ereignissen berichtet, die oft ins Übersinnliche und Wunderbare greifen und dennoch ernst und für wahr genommen sein sollen. Sie sind zumeist örtlich und zeitlich gebunden, die Burgsagen an Ruinen der näheren Umgebung. Diese berichten oft vom Zerfall der ehemaligen Burg, vom Aussterben des Rittergeschlechts und auch gern von verborgenen Schätzen. All diese Elemente finden wir in der Sage vom Silberhohl wieder.
 

In Sagen sieht man heute mehr als etwa nur karge Volksdichtung, Aberglauben und unwahre Geschichtsüberlieferungen. Sagen offenbaren das Denken, Wollen und die Haltung eines Stammes oder Volkes. Sie decken das innerste Meinen und Glauben des Menschenschlages auf; sie sind Bekenntnisse. Verborgenes und Vergessenes tritt in ihnen wieder zu Tage. Tatsachen, geschichtliche Vorgänge wurden an ihnen wieder erkannt und sichtbar. Die Sagen sollten daher auch in ihrer ursprünglichen, einfachen Form bewahrt werden. Gewiss mag ein Schriftsteller sie aus- oder umgestalten; denn sie stellen dankbare Stoffe dar. aber dann schafft er eine neue Dichtung, die mit der alten Sage wenig bis nichts mehr zu tun hat. Aber eine Deutung der Sage vom Silberhohl dürfte berechtigt sein...

 

Naturschutzgebiet Silberhohl
© stadtverwaltung-seesen.de

 

Es werden hier zwei dicht benachbarte Örtlichkeiten miteinander verknüpft, der Erdfall des Silberhohls und die unmittelbar südlich gelegene Hünische Burg. Die wiederentdeckte besteht aus einem ovalen Erdwall auf einem steilen Hügel, der auf drei Seiten von Wasser und rings von Wald umgeben war und eine natürliche Festung darstellte. Ihr Name findet sich häufig als alte Flurbezeichnung. Als Bewohner der Burg kommen nach unseren Recherchen nur die Ritter von Pedel in Frage. Das Rittergeschlecht verschwand im 14. Jahrhundert. 1365 verkaufte der Knappe Detmar von Pedel seine letzten beiden Teiche, und 30 Jahre später wurde das Gut, das er dort hatte, zum letzten Male erwähnt. Das Verschwinden dieses Rittergeschlechts aus der Gegend und dem Bewusstsein ihrer Bewohner gab wahrscheinlich die Veranlassung zur Entstehung der Sage. Es Wurde in Verbindung zu dem auffälligen Erdfall gebracht, dessen Entstehung aus natürlichen geologischen Gegebenheiten damals noch unbekannt war. Auffällig ist in hohem Maße, dass in der Sage der Name einer Frau bewahrt wird, der Name Jutta von Pedel. Ihre Verbindung mit dem Goslarer Kloster Frankenberg wird ihr den Ruf einer Heiligen beschert haben.


Da die Sagenforschung lehrt, dass die Motive der weißen Frau und des verborgenen Schatzes für das 13. Jahrhundert typisch sind, ergibt sich ein weiterer beachtlicher Hinweis auf die Entstehungszeit der Sage, nämlich auf die Zeit um 1300, die mit den genannten Daten übereinstimmt. Der Wert der Sage vom Silberhohl wir noch durch die Tatsache erhöht, dass sie die Erinnerung an eine Burg bewahrt, die - im Gegensatz zur Sehusaburg - in keiner mittelalterlichen Urkunde erwähnt wird.

 

(Quelle: 974-1974 - 1000 Jahre Seesen | Festschrift herausgegeben von der Stadt Seesen)